Alter Rhein

Auf dem Alten Rhein

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(Logbuch vom 21. – 23. Juli 2018)

Während ich die weissen Pfähle zähle die jetzt alle hundert Meter das Ufer markieren rollere ich weiter. Immer ein Stück rollern, absetzen, Pause, in der Hoffnung dass irgendwo statt Dickicht eine geeignete Einbootstelle auftaucht. Ich frage mich durch bei den Spaziergängern und erreiche schliesslich nach sicher drei Kilometern das alte Bachbett der Kander. Dort lege ich mich erst mal auf die Wiese neben dem Rastplatz und schlafe ein wenig. Es ist wieder ein schöner, sonniger Tag. Meine volle Wasserflasche hat ordentlich was vom Bootslack abgekratzt.

Das Bachbett ist verbaut, keine Chance durchzurollern. So versuche ich eine Taktik, die später immer wieder funktionieren wird: Ich stelle mich in Paddlermontour neben die Spaziergänger, die im Bachbett am Rheinufer sitzen und warte darauf, bis mich jemand bemerkt, so dass ich ein Gespräch starten kann. Aber natürlich wollen sie helfen. Fünf Erwachsene und zwei Kinder helfen, mein Kajak hinüber ans Wasser zu tragen. Natürlich lasse ich die Kinder zum Dank probesitzen.

Froh, endlich wieder auf dem Wasser zu sein fahre ich los, aber nur zwei Kilometer, wo die ersten Stromschnellen beginnen. Mein Paddelführer sagt, ich solle den Schwall links umtreideln, was ich auch mache. Danach fahre ich vorsichtig weiter bis zu den Isteiner Schwellen. Die sollen angeblich ganz links fahrbar sein haben mir die Einheimischen gesagt. Aber ich will kein Loch im Boot riskieren und gehe mir die zuerst mal anschauen, nicht ohne gleich noch ein paar Nacktschwimmer aufzuschrecken als ich in der Hoffnung auf einen Anlegeplatz in ihrer Bucht auftauche.

In voller Montur laufe ich den Strand voller Badenden entlang – es ist Sonntag Nachmittag und heiss – und natürlich werde ich angesprochen von einer Gruppe Freunde die dort am Feuer sitzt. Ob ich die Schwellen fahren werde? Nein, sage ich und habe plötzlich mehr Freiwillige zum Umtragen als nötig. Als ich vom Besichtigen der Schwellen wieder zurückkomme sind es dann allerdings weniger geworden, trotzdem habe ich zwei starke Männer die mein Boot über die Treppen und die Ufersteine auf den kleinen Seitenarm tragen. Ich boote in einem kleinen Kehrwasser ein und packe alles wieder ins schwimmende Kajak. Die Strecke rüber in den Hauptarm ist zuwenig tief um sie zu fahren, aber ich muss vorher den Nebenarm mit starker Strömung queren. Ich verabschiede mich von meinen Helfern und bin gleich nach dem Abstossen noch mit den Füssen ausserhalb mitten in der Strömung. Die Seilfähre gelingt mir perfekt, ich kann gleich wieder aussteigen und treidle hinüber in auf die andere Seite der Kiesinsel in den Hauptarm. Nach einer kurzen Verschnaufpause paddle ich mit jetzt geschlossener Spritzdecke weiter. Fünfzig Meter weiter kommt ein starker Schwall, ich habe keine Chance irgendwo anzuhalten und fahre mitten durch, in der Hoffnung, dass das Wasser tief genug ist.

Mein Paddelführer spricht von noch mehr Schwällen auf den nächsten Kilometern. Allerdings ist mein Gefühl für mein Kajak gerade enorm gestiegen und ich fahre ab da alle. Das Wildwasserfahren macht mir sehr viel Spass und ich komme mit der Strömung schnell voran. Die suche nach einem Übernachtungsplatz gestaltet sich schwierig, denn jede schöne Kiesinsel auf den folgenden zwanzig Kilometern ist bereits von Nacktschwimmern besetzt. Meine Sicherheitsregel für Wildcamping ist allerdings, dass ich nirgendwo campiere wo schon andere Leute sind, vor allem wenn man da einfach mit dem Auto hinkommt. Und so paddle ich immer weiter, während mein analytischer Kopf beginnt eine Statistik zu erstellen wie viele Nacktschwimmer und Fischer ich unterwegs sehe. Die Nacktschwimmer blieben noch bis zur Holländischen Grenze in Führung.

Um halb sieben finde ich unterhalb von Bellingen bei Rheinkilometer 190,6 versteckt hinter herunterhängenden Ästen eine Bucht mit stehendem Wasser. Ich ziehe mein Kajak halb an Land, denn mehr Platz ist nicht und lasse es schwimmen. Danach spanne ich meine Hängematte auf und mache ein Feuer fürs Nachtessen. Scharfe Polenta und Chips während die Sonne untergeht. Ein Pärchen kommt vorbei, aber er hat nur Augen für sie und sie hat nur Augen für die Brombeeren die neben dem Platz wachsen und so bin ich bald wieder alleine. Allerdings merke ich, dass ich direkt unterhalb vom Fahrradweg übernachte. Also doch nicht so abgelegen wie gedacht. Ich vertraue darauf, dass mich keiner sieht, kann aber deswegen trotzdem nicht schlafen und grüble wieder die ganze Nacht.

Am nächsten Morgen merke ich, dass ein Fischer nebenan bei meiner Feuerstelle ist. Aber er bemerkt mich nicht als er geht. Das Wasser in meinem Wassersack schmeckt nach Plastik. Kurz bevor ich fertig gepackt habe fährt eine kommerzielle Kanutour mit mehreren Kanus an mir vorbei. Es wird halb elf bis ich loskomme und ich lasse mich in der flotten Strömung treiben und korrigiere nur die Richtung. Bald verliere ich das Distanzgefühl. Links und rechts vom Fluss ist Wald und ich kann nur die Brücken zählen. Die sehen aber alle gleich aus und kommen selten und so habe ich gegen Mittag keine Ahnung mehr wo ich genau bin.

Plötzlich tauchen vor mir rote Pfähle im Wasser auf. Was ist das? Vorsichtig fahre ich näher und finde die Kanugruppe von heute Morgen wieder. Wir stehen an der Griessheimer Furt und ich frage den Guide wie man die am besten fährt. Während ich etwas esse schaue ich der Gruppe zu die zu dritt im Kanu eines nach dem anderen ganz links durch den Schwall die Furt passieren. Das letzte Kanu bleibt zurück und wird umtragen. Es sind nicht alle Jugendlichen so mutig. Ich habe keine Lust auf Umtragen und folge dem Vorbild der anderen. Fast wirft es mich um, als ich mitten im Schwall aufhöre zu paddeln, weil ich das Gefühl habe ich wäre schon durch. Nun weiss ich auch warum der Guide immer «Paddeln, paddeln!» gerufen hat wenn ein Kanu an der Stelle war. Weiter geht es mit flotter Strömung, aber meistens nur 50cm Wasser unterm Kiel. Ich lerne zu sehen wo es am tiefsten ist und wie man die folgenden kleinen Schwälle fährt, denen ich mit Vorliebe auf der anderen Flussseite ausweiche.

Um fünf bin ich endlich aus der grünen Endlosigkeit raus und mache eine Pause am Breisacher Segelclub. Ich hoffe dass ich dort Trinkwasser finde, denn das Wasser in meinem neuen Wassersack schmeckt mittlerweile ungeniessbar nach Plastik, obwohl er das laut Produktbeschrieb und Bewertungen im Internet nicht sollte. Der Segelclub hat kein Trinkwasser, aber der Boxenstopp beschert mir ein längeres Gespräch mit einer Frau, Krankenschwester von Beruf die dort auf einer Bank sitzt und selten an den Rhein kommt. Ich fahre weiter.

Um halb sieben bin ich in Breisach. Ich suche nach einem Ausstieg wo kein Verbotsschild hängt und frage die nächste Person nach Trinkwasser. Er gehört zum Ruderclub wo ich meinen Wassersack auffüllen kann. Im Infokasten hängt ein Zettel, dass man auf dem Gelände für 10€ übernachten könne. Ich frage nach und darf bleiben. Ein sicherer Platz und eine Dusche nach 60km Wildnis. Mit dem letzten Gas in meinem Kocher koche ich mir meine Polenta. Das Gas geht genau in dem Moment aus, als ich fertig bin mit kochen. Die Ruderer wollen wissen ob ich den Kanal oder weiter den alten Rhein fahre aber ich habe mich noch nicht entschieden. Ich bin müde und gehe früh schlafen.

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