Wehre und Algenteppiche – Teil 1

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(Logbuch vom 24. -27. Juli 2018)

….Nachdem ich eine Stunde lang in der prallen Hitze gewartet habe ruft mich der Schleusenwärter aus. Kajaks werden nicht geschleust. Also doch, wie es mir mehrere Leute gesagt haben. Anscheinend habe alle Paddler die Kanal gefahren sind irgend eine Möglichkeit gefunden, über die steilen Kanalwände zu umtragen, denn Bootsrampen gibt es im französischen Kanal nicht. Frustriert drehe ich um und bin drei Stunden nach meiner Abfahrt wieder am Ausgangspunkt. Also muss ich es trotzdem versuchen, über die Bootstreppe und den grasbewachsenen Damm auszubooten. Es geht überraschend gut und ich habe auch die Einbootstelle schnell gefunden. Ich gönne mir ein Glacé beim Fussballclub daneben und schiebe mein Kajak über die Rampe zurück ins Unterwasser. Zwei Frauen führen gerade auf der Rampe ihren Hund spazieren und ich frage nach einer möglichen Übernachtungsstelle. In der tief stehenden Sonne fahre ich durch ein grünes Paradies zurück in den Rhein, die mit Abstand schönste Einbootstelle der ganzen Tour.

Es ist der Auftakt für drei Tage Schlepperei. Mein Paddelführer verwendet als Symbol für ein Wehr einen schwarzen Balken und die folgende Seite besteht nur aus diesem Symbol. Von Breisach bis Kehl wurden als Hochwasser Schutzmassnahme im Schnitt alle drei Kilometer zwischen die Stauwehre noch Kulturwehre eingebaut. Bei dem niedrigen Wasserstand floss das Wasser so kaum mehr.

Kurz vor Sonnenuntergang sehe ich das erste Kulturwehr und davor auf der französischen Seite einen kleinen Bootssteg, der in etwa dem entspricht was mir die beiden Frauen erzählt hatten. Ich versuche anzulegen, aber der Steg ist voller Schulboote. Mir gelingt es die anderen Boote so beiseite zu schieben, dass ich anlegen kann. Noch mit der Schwimmweste an laufe ich die Treppe hoch. Es scheinen Leute da zu sein. «Maintenant nous devons faire la vaisselle» höre ich und stehe auch schon mitten in einer mir sehr vertrauten Szene: Ein Lager beim Abendessen. Ich gehe auf die nächste Leitungsperson zu und frage in brüchigem Französisch ob ich hier übernachten darf. Nach mehreren Tagen mit Pseudo-Schwäbisch läuft die Sprache nicht mehr so gut. Nachdem ich mich die Leiterränge durchgefragt habe gibt mir der Hauptleiter grünes Licht. Nicht auf dem Lagergelände, sondern auf dem grasbewachsenen Parkplatz darf ich übernachten.

Kaum steht mein Zelt fährt die Polizei vor um nach dem Rechten zu sehen. Sie fragen die Lagerleiter was ich da mache und während sie wieder an mir vorbei fahren hantiere ich demonstrativ mit meinen Paddeln. An dem Abend erwische ich dann endlich auch die Mücke im Zelt die mich die ganze Zeit gestochen hatte. Es gibt einen Blutfleck an der Zeltdecke.

Ich stehe am nächsten Tag früh auf und packe leise alles zusammen. Ich will weg sein bevor der Lageralltag beginnt. Mein Kajak ist die Nacht über mit den anderen Booten geschwommen und es bedarf ziemlich viel Gymnastik um mein Material wieder zu verstauen. Alles bringe ich nicht rein, aber ich muss sowieso beim Wehr gleich wieder an Land. Ein Mann beobachtet mich. Er bringt mit dem Kühltransporter Essen. Als ich ihm sage dass ich nicht zum Lager gehöre verschwindet er. Um acht Uhr bin ich schon weg.

Etwas oberhalb vom Wehr finde ich einen improvisierten Steg, den wohl ein Fischer gebaut hat. Hier kann ich alleine ausbooten, natürlich nicht, ohne dass ich das halbe Boot wieder auspacken muss bevor ich es über die Böschung ziehen kann. Danach rollere ich auf die Unterseite des Wehrs und halte Ausschau nach der Stelle wo ich letzte Nacht ein Feuer gesehen habe, aber ich finde nichts. Die Einbootstelle ist eine lange Treppe und das grosse Markierungsschild muss ich wörtlich nehmen, denn es zeigt zwei tragende Paddler. Etwas ratlos laufe ich auf und ab bis zwei Fahrradfahrerrinnen anhalten. Der Rheinradweg läuft auf diesem Stück parallel zum Fluss. Die beiden helfen gerne beim runter tragen und Einbooten während ich versuche, eine möglichst interessante Geschichte über meine Reise zu erzählen.

Lange fahren kann ich nicht, bis schon das nächste Kulturwehr kommt. Dieses Mal gibt es nur eine Treppe, aber zum Glück steht da schon ein Paar mit Hund, die ich kurzerhand rekrutiere. Schon rollere ich wieder auf dem Fahrradweg. Einige vorbeilaufende Wanderer machen eine blöde Bemerkung als ich an der Einbootstelle in der Hitze sitze und auf Hilfe warte. Es ist wenig los auf dem Weg und ich suche nach Hilfe. Da sehe ich den vertrauten Jakobsweg Kleber. Ich bin auf dem Weg und irgendwie wirds weitergehen. So fasse ich Mut und halte die nächsten Fahrradfahrer an. Es ist ein älteres Holländisches Ehepaar aus Rotterdam, die noch den gleichen Weg vor sich haben wie ich.

Und so komme ich weiter, wieder zurück auf den Kanal bis zum nächsten Stauwehr. Es ist nicht einfach, dort das Ufer zu erreichen, denn ein riesiger Algenteppich bedeckt den ganzen Bereich hinter dem Yachthafen zur Rampe. Ich kämpfe mich durch und lasse mein Kajak erst mal liegen. Auf dem Damm steht das Bistro Rheinblick. Zeit für den Cola und Glacestopp und etwas Schatten, denn die Hitze ist schon wieder unerträglich. Ich sitze dort mit Sicht auf den nächsten Abschnitt des alten Rheins und überlege, ob ich dort weiterfahren soll oder doch auf dem Kanal. Schlussendlich entschliesse ich mich gegen Kanalwände und Verkehr und weiter auf dem eigentlich schönen Rhein zu fahren….

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